Mentale Resilienz

Stress ist eine merkwürdige Sache. Manchmal brauchen wir ihn, um uns zu Spitzenleistungen anzuspornen, dann wieder gibt er uns das Gefühl zu ertrinken. Was die einen als stressig empfinden, ist für die anderen vielleicht nur ein belebender Nervenkitzel. Während einige sich nach einer Phase des extremen Drucks schnell wieder erholen, geraten andere komplett aus dem Gleichgewicht. Die Vogel-Strauß-Taktik ist bei zu viel Hektik keine Option – in einer Welt mit immer mehr Stressquellen kann man nicht einfach den Kopf in den Sand stecken. Was also tun? Wie lässt sich das innere Gleichgewicht finden und wahren?

Ich kenne die dunkle Seite des Stresses aus eigener Erfahrung: Sich überlastet fühlen, nicht wissen, wo man anfangen soll, im Vertrieb unter Erfolgsdruck zu geraten, die irrationale Vorstellung, bis gestern Spitzenergebnisse liefern zu müssen – das alles ist mir vertraut. Gelegentlich habe ich mich gefragt, wie ich meinen Trainingsteilnehmern eigentlich überzeugende Ratschläge geben kann, wenn ich mich selbst nicht daran halte.

Da kommt die mentale Resilienz ins Spiel. Mentale Resilienz ist die Fähigkeit, nach negativen, schwierigen und widrigen Lebenssituationen wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Das bedeutet: nicht starr an ungesunden Denkmustern und Verhaltensweisen festhalten, sondern Anpassungsfähigkeit und Flexibilität beweisen. Wer über eine solche Widerstandsfähigkeit verfügt, darf sich freuen: Es gibt einen engen Zusammenhang mit gesundem Schlafverhalten, niedrigerem Blutdruck und dem allgemeinen physischen Wohlbefinden. Sie fragen sich jetzt vielleicht, ob das einfach eine angeborene Eigenschaft einiger weniger Glücklicher ist? Nein, ist es nicht. Ähnlich wie Muskelkraft kann man auch die mentale Resilienz trainieren, um sie nach Bedarf abzurufen.
Durch Steigerung meiner mentalen Resilienz habe ich einen neuen Blick auf Stress gewonnen und gesunde Bewältigungsmechanismen entwickelt. Und genau das kann Ihnen auch gelingen! Möchten Sie in das Geheimnis eingeweiht werden? Dann stellen Sie schon mal Ihre Trainingsschuhe bereit!

1. Relativierung

Die gefährlichen Worte „ja, aber“ sind meist dicht gefolgt von den Worten „ich muss …“. Wenn ich mich selbst in einem Satz mehr als einmal „ich muss …“ sagen höre und dabei einen schnelleren Herzschlag und Schweiß an den Händen spüre, gehe ich etwas auf Abstand und beurteile die Situation aus der Distanz. Muss ich wirklich? Wer sagt das? Was passiert, wenn ich die Aufgabe nicht erledige? Was MÖCHTE ich stattdessen tun? Natürlich heißt das nicht, dass wir uns aller unerwünschten Pflichten im Leben entledigen könnten. Die Strategie ist aber hilfreich, um Wichtiges von Dringendem zu unterscheiden. Der irrationale selbstgeschaffene Druck wird damit verringert.

Außerdem hinterfrage ich meine Stressgefühle, indem ich meinen Blick auf zwei Dinge fokussiere: Risiken und Ressourcen. Seien wir ehrlich: Tendenziell werden die Risiken erheblich überhöht. Wenn ich das, was auf dem Spiel steht, bei realistischer Betrachtung verringere, sieht die Lage schon nicht mehr ganz so bedrohlich aus. Zusätzliche Ressourcen, etwa in Form von mehr Zeit oder Hilfe von Kollegen oder Freunden, lassen ein Gefühl von Beherrschbarkeit und Kontrolle entstehen. All das hat einen positiven Einfluss auf meine Stresswahrnehmung.

2. Nett zu sich selber sein!

Oft ist man selbst sein schärfster Kritiker. Viele Menschen nehmen die eigenen Fehler genau auseinander und analysieren immer wieder alles haarklein. Um aus dieser unguten Spirale herauszukommen, habe ich eine Strategie der „Selbstfreundlichkeit“ entwickelt, die mich widerstandsfähiger gegen Kritik macht – sowohl von anderen als auch von mir selbst. Zum Abschluss einer Besprechung, nach einer schwierigen Situation oder auch einfach vor dem Einschlafen nehme ich mir Zeit für eine Mini-Evaluierungssitzung mit mir selbst. Statt mich in das zu vertiefen, was nicht besonders gut lief, frage ich mich, was in der Situation gelungen war und was ich beim nächsten Mal besser machen kann. Eine Würdigung der positiven Aspekte steigert das Selbstvertrauen, und mehr Selbstvertrauen sorgt für mehr mentale Resilienz. Das vor Augen gerufene Verbesserungspotenzial erhöht die Motivation – denn die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, wohl aber die Zukunft.

3. Energiemanagement

Die langfristig wichtigste Strategie ist das Finden und Halten des „Sweet Spot“, also der Schnittmenge aus persönlichen Stärken und geschäftlichen Anforderungen. Damit steht eine unbegrenzte Energiequelle zur Verfügung. Wenn Sie etwas tun können, das Ihnen jeden Tag Spaß macht, das Ihren Wertvorstellungen und Überzeugungen entspricht, bei dem Ihre Talente genutzt und gefördert werden, dann steigt Ihre mentale Resilienz. Sie stärken damit gewissermaßen Ihr „Immunsystem“, sodass Sie negative Ereignisse problemlos abschütteln können. Überlegen Sie sich, wie viel Zeit Sie in Ihrem „Sweet Spot“ verbringen, und sprechen Sie offen mit Ihrem Vorgesetzten und Ihren Kollegen – das sind die Schlüssel zum Erfolg.

Um mentale Resilienz aufzubauen, müssen Sie Ihre mentalen Muskeln trainieren – Ihre Annahmen und Einstellungen modifizieren, damit Sie Stress ganz flexibel abfedern können. Am Anfang steht also der Wille ins Schwitzen zu kommen. Sind Sie bereit?