Feedback durch den kulturspezifischen Spiegel

Feedback ist ein Geschenk. Mitunter ist das jedoch schwer zu erkennen – schon im eigenen kulturellen Kontext. Und wenn wir Feedback über kulturelle Grenzen hinweg geben, kommen manchmal selbst gut gemeinte Ratschläge eher als „harter Schlag“ an. Das trifft speziell bei kritischen Rückmeldungen zu.

Betrachten wir dieses Feedback-Phänomen etwas genauer – ist das Übermitteln von Rückmeldungen unabhängig vom Ort immer gleich, etwa in Frankreich, den USA oder Indien? Definitiv non, no, nahīṁ!

Wenn wir Feedback im kulturellen Spiegel betrachten, erkennen wir, dass unsere Kommunikationsweise sehr stark durch unseren kulturellen Kontext geformt wird. Die Absicht hinter der Mitteilung mag gleich sein – die Umhüllung ist immer anders, geprägt von vielen verschiedenen Farben und Strukturen.

Einige Kulturen halten sich beim Übermitteln von Feedback an einen instrumentellen Stil – der Mitteilende muss eigenverantwortlich dafür sorgen, dass er verstanden wird. Häufig führt dieser Umstand zur Verwendung von verstärkenden Adverbien wie völlig, ganz, total oder absolut. Damit soll eine klare Übermittlung der Kernaussage erreicht werden: „Diese Äußerung ist total unverständlich“; „Sie sind absolut nicht in der Lage, Ihre Rückmeldungen an unterschiedliche kulturelle Zusammenhänge anzupassen.“ Länder, in denen der instrumentelle Stil bevorzugt wird, sind beispielsweise die Niederlande, Deutschland, Schweden und Dänemark. Bei anderen Kulturen, etwa in arabischen oder asiatischen Ländern, ist ein eher emotionaler Stil vorherrschend – hier bleibt es dem Empfänger überlassen, die Botschaft zu verstehen. Der Sender setzt insofern abschwächende Adverbien wie etwas, geringfügig, ein bisschen ein, um die Aussage milder zu gestalten und dem Empfänger Raum für das Lesen zwischen den Zeilen zu geben.

Eine andere Herangehensweise an das Verstehen von Feedback in verschiedenen Kulturen nutzt den bildlichen Vergleich zu einem Sandwich: Beim Sandwich-Verfahren ist die kritische Rückmeldung – der Belag – von zwei positiven Aussagen – den Brotscheiben – umgeben. Bei einigen Kulturen (etwa in den USA, in Kanada oder Großbritannien) ist das Sandwich die präferierte Darreichungsform. Anderswo (wie in den Niederlanden oder in Deutschland) lässt man gern die Kohlenhydrate weg und konzentriert sich ganz auf das Fleisch. Aber auch die vegetarische Option hat (beispielsweise in Japan und China) ihre Anhänger.

Für sich genommen ergeben sich daraus keinerlei Probleme, wenn die Rückmeldungen mit identischem kulturellen Blickwinkel übermittelt und interpretiert werden. Der höfliche, indirekte Feedback-Ansatz, den es in vielen asiatischen Kulturen gibt, ist für Asiaten als Mitteilungsempfänger absolut klar und verständlich. Schwierigkeiten treten auf, sobald man die Rückmeldung einer Person aus einem anderen Kulturkreis in den eigenen kulturellen Referenzrahmen stellt. Ein Niederländer kommt sich in China womöglich wie ein grober Klotz vor, wenn er sein Feedback so vortragen würde, wie er es in den Niederlanden täte. Vergessen wir auch nicht die andere Seite: Auf den Empfänger könnten derartige Rückmeldungen rüpelhaft wirken und zu Gesichtsverlust führen; eventuell fühlt er sich auch persönlich angegriffen, was wiederum zu einer Verringerung seiner Motivation führen kann.  

Beispiele aus aller Welt

Ein Beispiel ist meist mehr wert als viele Erläuterungen – sehen wir uns deshalb jetzt die Feedback-Gepflogenheiten verschiedener Kulturen konkreter an. Stellen Sie sich die folgende Situation vor: Ein Kollege hat Sie gebeten, seinen Bericht zu überprüfen und ihm Rückmeldungen dazu zu geben. Ihrer Meinung nach ist die Kurzdarstellung hervorragend, im zweiten Kapitel, das die Analyse enthält, fehlt es Ihnen jedoch an Struktur und Substanz. Nun ist jede Kultur natürlich facettenreich, sodass ein bloßer Blick auf Nationen der Komplexität nicht gerecht wird. Die Beispiele drücken daher in gewissem Maße Verallgemeinerungen oder Überspitzungen von Tendenzen und Eigenheiten aus.

Als Niederländer sind Sie sehr direkt, denn Ehrlichkeit und Transparenz haben wesentliche Bedeutung für Sie. Ihr Feedback würde sich ungefähr so anhören: „Der Analyse fehlt es völlig an Struktur und Substanz.”

Als Deutscher stellen Sie die Fakten dar und versuchen, eine Verbindung zu einem Wissensfundus herzustellen. Ihr Feedback könnte so lauten: „Zu welchen Ergebnissen kommst du mit deiner Analyse? Welchen Ansatz hast du herangezogen? Weil es an Struktur mangelt, wird das nicht deutlich.”

Als Brite würden Sie Ihr Feedback in Höflichkeit verpacken mit einer Schleife der Indirektheit versehen. Ihr Feedback könnte dann so formuliert sein: „Ich würde vielleicht noch einen Blick auf die Struktur der Analyse werfen. Das ist aber nur meine Meinung.”

Als Amerikaner wären Sie darauf trainiert, das Positive in den Mittelpunkt zu rücken. Ihre wirkliche Meinung ließe sich eher aus dem ableiten, was ungesagt bliebe. Ihr Feedback könnten Sie daher wie folgt äußern: „Besonders die Kurzdarstellung ist dir ausgezeichnet gelungen.

Als Franzose wären Sie bestrebt, eine positive Beziehung aufrechtzuerhalten. Sie würden tendenziell nach den Regeln oder Standardverfahren suchen, an denen sich der Kollege orientiert hat, statt die Sachlage direkt anzusprechen. Ihr Feedback hätte insofern wohl Ähnlichkeit hiermit: „Laut dem Buch x sollte bei der Struktur einer Analyse darauf geachtet werden, dass ....”

Als Asiate – beispielsweise Chinese – wären Sie bemüht dafür zu sorgen, dass der Kollege sein Gesicht wahren kann. Sie würden Ihre Aussage deshalb abschwächen oder eine Rückmeldung an den Kollegen gänzlich vermeiden. Eventuell würden Sie Ihr Feedback an einen anderen Mitarbeiter übermitteln, von dem Sie wüssten, dass er es dann an den betreffenden Kollegen weiterleitet. Alternativ würden Sie das Problem der fehlenden Struktur dem gesamten Team gegenüber ansprechen: „Wir könnten uns als Team noch mehr mit der Struktur von Ergebnisberichten bei Analysen beschäftigen.”

Wie können wir vor diesem Hintergrund vermeiden, in die Fallen der Fehlkommunikation zu geraten, damit die Beziehung keinen Schaden nimmt und wir nicht daran gehindert werden, die gewünschten geschäftlichen Ergebnisse zu erzielen?

 

Die folgenden fünf Schritte ermöglichen das erfolgreiche Übermitteln von (kritischen) Rückmeldungen über kulturelle Grenzen hinweg:

  1. Innehalten und Reflektieren. Beim Feedback sollte immer die Hilfestellung für den Mitteilungsempfänger im Mittelpunkt stehen. Bevor wir eine Rückmeldung geben, sollten wir deshalb immer erst überlegen, ob unsere Motivation dafür richtig ist. Wenn es uns nur darum geht, unsere Meinung loszuwerden, oder wenn wir eine unmittelbare Verhaltensänderung erwarten, sollten wir entweder Selbstdisziplin üben oder eine Formulierung wählen, mit der wir direkt zu Veränderungen auffordern.
  2. Wahrnehmen des eigenen kulturellen Filters. Hören Sie genau hin, wenn Menschen in Ihrem Umfeld sich Rückmeldungen geben, und überlegen Sie sich, welche Art von Feedback Sie selbst gern bekommen würden. (Wann fühlen Sie sich angegriffen; wann erscheint Ihnen Feedback sehr nützlich?) Wenn Sie sich Ihren persönlichen kulturellen Hintergrund bewusst machen, fallen Anpassungen an einen anderen kulturellen Kontext leichter.
  3. Entdecken des kulturellen Codes. Vorbereitung ist entscheidend. Durch das Beobachten und Analysieren der Kultur und der sozialen Interaktionen im Gastgeberland können Sie Ähnlichkeiten und Unterschiede erkennen. Hilfreich ist ein einheimischer Mentor, der all Ihre Fragen beantworten kann.
  4. Finden einer gemeinsamen Basis. Sie müssen Ihren eigenen Stil nicht komplett umkrempeln. Manchmal reichen schon kleine Anpassungen, um zu zeigen, dass Sie sich bemühen. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Mentor danach, ob Sie auf dem richtigen Weg sind.
  5. Spaß haben! Sind Sie in alte Gewohnheiten verfallen? Keine Sorge – wenn Sie über sich selbst lachen können, um Entschuldigung bitten und Ihre Absichten erläutern, wirkt das vielleicht Wunder; wahrscheinlich wird Ihr Gegenüber dann Verständnis für Sie zeigen.

Quellen:

Giving feedback across cultures