Adam Grant ist der geborene „Geber“. An mehreren Abenden der Woche beantwortet er hunderte E-Mails von Menschen, die seinen Rat suchen. Adam ist jedoch überzeugt davon, dass er dem Geben seinen Erfolg verdankt. Und offensichtlich hat er Recht, ist er doch mit 37 Jahren der jüngste Lehrstuhlinhaber und beliebteste Professor für Management an der renommierten Wharton School und ein äußerst produktiver Forscher im Bereich Organisationspsychologie.
Mit seinem Buch „Geben und Nehmen: Erfolgreich sein zum Vorteil aller“ hat er für einigen Wirbel in den Medien gesorgt. Seine Erkenntnisse aus Studien und persönlichen Fallberichten könnten unsere Vorstellungen von Erfolg und Karriere auf den Kopf stellen. Laut Adam ergattern nicht die härtesten Typen am häufigsten eine Position an der Spitze der Karriereleiter, sondern die netten, d. h. Menschen, die großzügig sind und anderen helfen.
Adam teilt Arbeitnehmer in Nehmer (Taker), Tauscher (Matcher) und Geber (Giver) ein und hat nachgewiesen, dass sich diese Verhaltensweisen auf den Erfolg auswirken. Ein Geber tut anderen einen Gefallen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Er bringt Menschen miteinander in Kontakt, ist Mentor und gibt Ratschläge. Nehmer sind das genaue Gegenteil. Sie handeln ausschließlich zum eigenen Vorteil und helfen nur, wenn sie direkten Nutzen daraus ziehen können. Die meisten Arbeitnehmer sind Tauscher, d.h. sie sind großzügig, wenn die Möglichkeit einer Gegenleistung besteht.
Im Rahmen seiner Forschung fand Adam heraus, dass sich ganz unten auf der Karriereleiter hauptsächlich Geber befinden. Sie sind „Prügelknaben“ mit geringer Produktivität oder ausgebrannt. Im breiten Mittelfeld sind Nehmer und Tauscher relativ gleichmäßig verteilt. An der Spitze der Leiter hingegen dominieren wiederum die Geber, die sich als Leader auszeichnen. Das bedeutet, dass die Großzügigsten durchaus am ehesten aufsteigen können. Weshalb erweist sich die Unterstützung anderer nicht als Feind der Produktivität oder zeitaufwändige Ablenkung von unserer Arbeit?
Adam hat in seiner Studie die Umsätze von hunderten Vertriebsmitarbeitern einer US-amerikanischen Optikerkette verglichen. Die Nehmer unter den Vertriebsmitarbeitern wollten so viel Profit wie möglich machen. Die Geber dagegen wollten den Kunden helfen. Sie hörten zu, versuchten die Wünsche des Kunden zu verstehen, und konnten schließlich ein maßgeschneidertes Angebot abgeben. Ihre Verkaufszahlen am Jahresende waren wesentlich besser als die der Nehmer.
Geber sehen sich an, was andere brauchen, und überlegen, wie sie ihnen helfen können. Sie teilen ihr Wissen, ihre Energie und ihre Beziehungen, und genau das ist der Grund, weshalb sie so erfolgreich sind. Sie bauen ein Netzwerk von Kontakten und Verbindungen auf, das Brücken zu anderen Welten und Ideen schlägt. Das Geben ist ein Zyklus und beruht nicht auf direkter Gegenseitigkeit. Anders ausgedrückt: Ich gebe und eines Tages treffe ich jemanden, der für mich einen Kontakt zu einem interessanten Geschäftspartner oder einer neuen Karriereoption herstellen kann.
In seinem neuen Artikel „In the company of givers and takers“ behauptet Adam, der Erfolg einer Organisation hänge von der Großzügigkeit ihrer Mitarbeiter ab. Organisationen sollten das gebende Verhalten fördern, da Faktoren wie Zusammenarbeit, Innovation und erstklassiger Service, die Unternehmen wirklich erfolgreich machen, ohne Hilfsbereitschaft gegenüber anderen nicht möglich seien. Er zitiert eine Analyse von Nathan Podsakoff, dessen Team an der University of Arizona 38 Studien zum Thema Verhalten von Organisationen untersucht und dabei erkannt hat, dass ein höherer Anteil des Gebens zu höherer Rentabilität, Produktivität und Kundenzufriedenheit und zu niedrigeren Kosten und Fluktuationsraten führen.
Weshalb ist dann das Geben noch nicht die Regel in Organisationen? Psychologen haben nachgewiesen, dass das Geben oder Teilen mit nahestehenden Personen, wie z. B. Freunde, Partner und die Familie, für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit ist. Grant weist darauf hin, dass Führungskräfte zwar den Vorteil von großzügigem Verhalten erkennen und dieses in ihren Teams wünschen, die Mitarbeiter aber möglicherweise Zweifel hegen. Die Vergütungssysteme von Organisationen stellen die individuelle Leistung in den Mittelpunkt und regen die Mitarbeiter an, zunächst an sich zu denken. Beispiele: Ein Mitarbeiter wird befördert, während andere gute Leute nicht berücksichtigt werden, die erfolgreichsten Verkäufer erhalten die höchsten Boni, und in Performance-Ranking-Systemen muss einfach einer am besten und ein anderer am schlechtesten wegkommen. Das lässt Mitarbeiter gegeneinander antreten und verhindert, dass sie ihre Kollegen unterstützen.
Wie können Manager also mehr Großzügigkeit fördern, und wie können sie verhindern, dass Mitarbeiter von anderen ausgenutzt werden und ihre eigenen Pflichten vernachlässigen? Adams erster Rat für Mitarbeiter ist, besser zu unterscheiden, was großzügig ist und was nicht. Richtig geben bedeutet, an Mitmenschen zu denken, vor allem aber, die eigenen Prioritäten genau zu kennen. Die erfolgreichsten Geber haben zwar ein gutes Auge für die Belange anderer, aber auch für die eigenen, und sie handeln strategisch. Laut Adam tun Geber anderen Gebern und Tauschern gerne einen Gefallen, damit ihre Arbeit den größtmöglichen gewünschten Effekt hat, nehmen sich aber bei Nehmern in Acht. Anders ausgedrückt: Sie geben so, dass ihre Beziehungen gestärkt werden.
Wenn Sie also eine Kultur der Großzügigkeit schaffen möchten, die mehr Geber in Ihre Organisation lockt und für Nehmer weniger attraktiv ist, dann sehen Sie sich Adams Tipps an, um sicherzustellen, dass das Geben nicht zulasten der Geber geht:
Quellen:
Is giving the secret of getting ahead?
Adam Grant: Give and Take, a revolutionary approach to success, Viking Adult, April 2013
Adam Grant: In the company of givers and takers, Harvard Business Review, April 2013
Fritz Habekuß, Gute Typen, spiegel online